Variationsreich
Es gibt vielfältige Möglichkeiten, wie Lehrerinnen und Lehrer das Inselspiel im Politikunterricht konkret umsetzen können. In Form der Fotogeschichte wird ein exemplarisches Inselspiel vorgestellt, das federführend von zwei Studierenden im Rahmen des Projektseminars in einer 7. Klasse an einer bayerischen Mittelschule mit dem Schulprofil Inklusion an einem Schulvormittag durchgeführt wurde. Im Vorfeld haben neun Förder- und Regelschulstudierende, unterstützt durch die Dozentinnen und Dozenten sowie den Klassenlehrer, das Inselspiel speziell für diese Klasse gemeinsam geplant und arbeitsteilig vorbereitet.
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Die Räume werden im Vorfeld passend zum Inselszenario dekoriert. Die Schülerinnen und Schüler steuern Dekoration für das Inselspiel bei, indem sie in den vorausgehenden Tagen Palmen und Lianen basteln. Insgesamt stehen mehrere Räume zur Verfügung: in einem Raum wird die Insel aufgebaut, in einem weiteren das Schiff. Darüber hinaus gibt es Ausweichräume für die Gruppenarbeit. Die Studierenden schlüpfen mithilfe von Requisiten in ihre Rollen als Reiseleitung.Die Schülerinnen und Schüler treffen sich gemeinsam mit ihrem Klassenlehrer im vorher festgelegten Wartebereich. Die Studierenden begrüßen die Schülerinnen und Schüler und geben ihnen einen kurzen Überblick über den Tagesablauf. Sie informieren die Schülerinnen und Schüler u.a. darüber, dass sich das Inselspiel über alle sechs Schulstunden erstrecken wird, die Pausen aber wie gewohnt stattfinden werden. Durch den strukturierten Tagesüberblick fällt das Sich-Einlassen auf das ungewohnte Inselspiel-Szenario leichter.
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Die Studierenden informieren die Schülerinnen und Schüler darüber, dass sie heute gemeinsam mit dem Partyschiff nach Mallorca reisen werden. Zu diesem Zweck bekommen die Schülerinnen und Schüler jeweils ein personalisiertes Reiseticket. Die Studierenden treten als Reiseleiterin bzw. Reiseleiter auf. Die Reisetickets werden in drei unterschiedlichen Farben ausgegeben. Sie haben während des Inselspiels eine doppelte Funktion: zum einen finden die Schülerinnen und Schüler dadurch ihren Platz an Bord des Schiffs, zum anderen werden sie mithilfe der Farben später in drei Gruppen eingeteilt.Um die Reise beginnen zu können, läuft die Reisegruppe gemeinsam zur Anlegestelle des Schiffs. Die Gruppe wechselt dadurch den Raum.
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Die Reisegruppe geht zusammen an Bord und alle Passagiere nehmen mithilfe der Reisetickets ihre Plätze ein. Alle Passagiere erhalten eine Hawaii-Kette als Einstimmung auf die Reise. Die Kette dient unter anderem dazu, dass die Schülerinnen und Schüler sich besser in das Spiel einfinden können.Die eigentliche Reise beginnt. Das Reisefeeling wird mithilfe einer Phantasiereise und sequentieller Partymusik inszeniert. Während der Phantasiereise kommt die Reisegruppe in einen Sturm. Für den Sturm wird auf Trommeln, Regenmacher und Becken als musikalische Unterstützung zurückgegriffen.
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Der Kapitän verliert während des Sturms die Orientierung. Er kann den Anker allerdings an einem verlassenen Strand setzen, um dem Sturm zu entkommen.
Die Studierenden evakuieren das Schiff. Mithilfe der farbigen Reisetickets wird die Reisegruppe dazu in drei Kleingruppen eingeteilt. Jeder Kleingruppe wird eine eigene Reiseleitung, sprich eine erwachsene Person zugeteilt. Die Kleingruppen treffen sich in jeweils einer bestimmten Ecke des Schiffs.Um zu einem sicheren Ort auf der Insel zu gelangen, machen sich die Kleingruppen samt Reiseleitung auf den Weg durch unbekanntes Gelände. Auf ihrem Weg werden die Gruppen mit verschiedenen Widrigkeiten konfrontiert, sie müssen beispielsweise einen Fluss durchqueren. Die Reiseleitung animiert die Schülerinnen und Schüler, sich weiterhin auf die Phantasiereise einzulassen. Ziel ist es, die vorbereitete Insel im Klassenzimmer zu erreichen. -
Die Kleingruppen erreichen ein verlassenes Dorf. Auf Anweisung der Reiseleitung bezieht jede Kleingruppe eine eigene Hütte. Die Hütten bestehen dabei aus Filzdecken und Kissen in einer bestimmten Farbe. Die Farben der Hütten decken sich mit den Farben der Reisetickets.
Nach dem Bezug der Hütten stellen die Studierenden das restliche Dorf vor. Vor allem der Marktplatz als gemeinsamer Sammelplatz in der Mitte ist dabei wichtig. Hier findet der gemeinsame Austausch statt.Der Kapitän berichtet der Reisegruppe, dass durch den Sturm leider das Funkgerät kaputtgegangen sei. Er habe zuvor aber noch Kontakt zur Küstenwache aufnehmen können. Der Sturm sei zu stark, sodass sie im Moment nicht gerettet werden könnten. Die Küstenwache habe aber versprochen, mit ihnen per Flaschenpost in Kontakt zu bleiben. Aus diesem Grund sollen die Schülerinnen und Schüler nach einer Flaschenpost suchen.
Die gefundene Flaschenpost wird von einer Schülerin laut vorgelesen. Sie enthält unter anderem die Anweisung, nach einer Notfallkiste Ausschau zu halten. -
Die Reisegruppe sucht erneut gemeinsam nach der Kiste. Inhalt der Kiste sind drei Notfallpläne. Jede Hütte hat einen eigenen Notfallplan, der eine andere Antwort auf die Frage „Wie treffen wir in Zukunft auf der Insel Entscheidungen?“ beinhaltet. Jeder Notfallplan greift dabei auf eine andere politische Ordnung zurück: Demokratie, Diktatur und Monarchie. Die Kiste enthält für jede Schülerin und für jeden Schüler eine Kopie des hüttenspezifischen Notfallplans. Die Kopien weisen dabei dieselben Farben wie Reiseticket und Hütte auf.Die Schülerinnen und Schüler erhalten jeweils eine eigene Kopie des Notfallplans. Jeder Notfallplan beinhaltet einen an die Sprachkompetenzen der Schülerinnen und Schülern angepassten Informationstext in Einfacher/ Leichter Sprache und die dazugehörigen Arbeitsblätter inklusive der Aufgaben. Gemeinsam werden die Aufgaben im Notfallplan Schritt für Schritt gelesen und offene Fragen im Gespräch mit den Studierenden geklärt. Die Schülerinnen und Schüler geben die Aufgaben dabei als Kontrolle immer nochmal in ihren eigenen Worten wieder.
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Aufgabe der Schülerinnen und Schüler ist es, die anderen Gruppen von ihrem Notfallplan zu überzeugen, um bei der anstehenden Abstimmung über das zukünftige Zusammenleben auf der Insel ihre Stimmen zu gewinnen. Zu diesem Zweck sollen die Schülerinnen und Schüler eine kreative Präsentation erarbeiten, in der sie unter anderem erklären, wie sie zukünftig Entscheidungen auf der Insel treffen möchten. Die Gruppen haben bei der Gestaltung der Präsentation freie Hand. Der Notfallplan enthält jedoch unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeiten als Anregung, z.B. Werbespruch, Werbeplakat, Werbefilm.Als ersten Schritt lesen die Schülerinnen und Schüler den Informationstext leise durch. Im Anschluss erarbeiten sie mithilfe des Arbeitsblatts, wer wie worüber zukünftig auf der Insel entscheiden soll. Dabei erhält jedes Gruppenmitglied eine eigene Rolle: z.B. Königin/ König, Ministerin/ Minister. Jede Gruppe hat als Unterstützung eine erwachsene Person an ihrer Seite, die aber nur im Notfall eingreift, z.B. wenn die Gruppe alleine nicht mehr weiterkommt oder zusätzliche Erklärungen notwendig sind. Die Schülerinnen und Schüler sollen die Aufgaben vorwiegend alleine bewältigen.
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Als nächsten Schritt bereiten die Schülerinnen und Schüler ihre Präsentationen vor. Sie erstellen dazu in ihrer Gruppe Werbeplakate mit entsprechenden Werbesprüchen wie „Einer für alle, alle für einen!“ oder „Die Krone an die Macht, dann gibt es keine Schlacht!“.Die Schülerinnen und Schüler planen und drehen aber auch eigene Werbefilme, in denen sie unter anderem die Werbesprüche und Werbeplakate mit einbauen.
Weiterhin üben sie den die Werbefilme ergänzenden Vortrag. -
Die Gruppen zeigen ihre fertigen Werbefilme und ergänzen diese um einen kurzen Vortrag als zusätzliche Erklärung. Im Anschluss arbeiten die Studierenden mit den Schülerinnen und Schülern im Gespräch die Unterschiede zwischen den einzelnen Vorschlägen zur Entscheidungsfindung nochmal heraus. Diese Zusammenfassung ist eine wichtige Voraussetzung für die anschließende Abstimmung, da dabei unter anderem Verständnisprobleme aufgedeckt und geklärt werden können. Es ist sinnvoll, die Zusammenfassung z.B. in Form eines Tafelbilds zu visualisieren.Die Studierenden erklären der gesamten Gruppe das Abstimmungsprozedere: Die Gruppe stimmt darüber ab, welcher der drei vorgestellten Notfallpläne (Demokratie, Monarchie, Diktatur) auf der Insel umgesetzt werden soll. Abstimmungsberechtigt sind sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die beteiligten Erwachsenen. Jede/jeder hat lediglich eine Stimme und darf frei abstimmen, d.h. es besteht kein Abstimmungszwang für die eigene Gruppe. Abgestimmt wird im Geheimen mithilfe von Abstimmungszetteln, die in einer blickdichten Box gesammelt werden.
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Die Stimmzettel werden eingesammelt und anschließend ausgezählt.Das Abstimmungsergebnis wird öffentlich bekanntgegeben. Gewonnen hat die Monarchie-Gruppe. Alle Entscheidungen auf der Insel trifft zukünftig der König
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Ein Schüler wurde von der Monarchie-Gruppe vorab als König bestimmt und bei der Präsentation als potentieller Regent vorgestellt. Durch den Sieg seiner Gruppe bei der Abstimmung wird er nun offiziell als König ernannt und damit als Herrscher über die Insel. Als Herrschaftszeichen erhält er eine rote Schärpe aus Samt.Die Studierenden bringen eine zweite Flaschenpost in das Spiel ein. Die Flaschenpost fungiert als Ereigniskarte, d.h. sie enthält die Aufforderung, dass die neue Regierung über die Lebensmittelverteilung auf der Insel entscheiden soll.
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Alle verfügbaren Lebensmittel, hier symbolisch durch Süßigkeiten verkörpert, finden die Schülerinnen und Schüler in einer Versorgungskiste. Aufgabe des amtierenden Königs ist es, alleine zu entscheiden, wie die Lebensmittel unter allen Bewohnerinnen und Bewohnern der Insel verteilt werden. Der König muss dabei unterschiedliche Fragen für sich beantworten, z.B.: Welchen Anteil erhält er als Herrscher? Welchen Anteil erhalten seine Unterstützerinnen und Unterstützer? Welchen Anteil bekommt der Rest? Nach welchem Prinzip, z.B. Leistungsprinzip, verteilt er die Lebensmittel?Der König verteilt die Lebensmittel entsprechend seiner Entscheidung an seine Untertanen. Die Schülerinnen und Schüler erfahren auf diese Weise spielerisch die Auswirkungen der Entscheidungsfindung und Entscheidungsdurchsetzung durch einen König.
Nach der Essensverteilung reflektieren die Schülerinnen und Schüler mithilfe eines Arbeitsblatts schriftlich für sich selbst, wie zufrieden sie mit der Entscheidung des Königs sind und inwiefern es sich ihrer Meinung nach um eine gerechte Entscheidung handelt. -
Das Funkgerät des Kapitäns gibt unerwartet wieder Geräusche von sich. Die Gruppe kann einen Funkspruch vom Festland entgegennehmen, der die bevorstehende Rettung von der Insel verkündet. Die gesamte Gruppe macht sich auf den Rückweg zum Strand, sprich zum anderen Klassenzimmer und steigt dort in das Rettungsboot ein.Auf dem Rettungsboot feiert die Gruppe ihre Rettung und stößt gemeinsam darauf an. Anschließend verabschieden sich die Schülerinnen und Schüler in Form einer erneuten Phantasiereise von der Insel und damit auch von ihren Rollen.
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Nach der Simulation kommt die gesamte Gruppe in einem Kreis zusammen. Unter Leitung der Studierenden wird gemeinsam das erlebte Inselspiel nachreflektiert. Dabei werden verschiedene Schwerpunkte gesetzt, u.a. persönliche Erfahrungen der Hauptakteurinnen und Hauptakteure (z.B. König), Verlauf der Simulation (z.B. Bewertung der Entscheidungsfindung als zufriedenstellend, als gerecht), Übertragung auf die politische Wirklichkeit (z.B. Vergleich der Entscheidungsfindung im Spiel und in der politischen Wirklichkeit), Methodenreflexion (z.B. Lob, Kritik, Verbesserungsmöglichkeiten).Das Inselspiel kann aber auch ganz anders aussehen. Im Projektseminar haben die Studierenden zum Beispiel das Szenario geändert, sodass aus dem Inselspiel ein Planetenspiel wurde: Die Klasse besiedelte dann als Entdeckerinnen und Entdecker einen noch unerforschten Planeten und gründete hier eine neue Gesellschaft. Aber auch das hier vorgestellte Inselspiel kann abgeändert werden, z.B. können unterschiedliche Inselgesellschaften parallel existieren, die jeweils individuell, auch ohne Rückbezug auf eine vorgegebene politische Ordnung, festlegen, wie sie auf ihrer Insel zusammenleben wollen.